Ziviler Bevölkerungsschutz
Apps und Sirenen im Katastrophenfall
Der Kalte Krieg ist lange vorbei, statt Sirenen warnen
im Katastrophenfall heute Apps wie KATWARN und NINA. Die
Regierung überarbeitet aber die letztmals 1995 erneuerte
Zivilschutzstrategie - Sirenen könnten reaktiviert werden.
Von Robin Lautenbach, ARD-Hauptstadtstudio
Es war eine Premiere: Beim Münchner Amoklauf forderte
die Stadt die Bürger auf, zu Hause zu bleiben. Verbreitet
wurde diese Warnung per App: über KATWARN - ein Warnsystem,
das jeder kostenlos auf das Smartphone laden kann. In München
wurde es erstmals in einer mutmaßlichen Terrorsituation
eingesetzt.
KATWARN ist von einem Frauenhofer-Institut entwickelt worden,
im Auftrag der öffentlichen Versicherungswirtschaft.
Städte und Landkreise können das System kaufen.
Es dient also vor allem der lokalen Warnung - üblicherweise
bei Großbränden, Bombenfunden oder Chemieunfällen.
Die amtlichen Warn-App heißt NINA

Die Notfall-Apps "NINA" und "KATWARN"
| Bildquelle: dpa
Ganz ähnlich funktioniert NINA, kurz für "Notfall-Informations-
und Nachrichten-App". NINA ist gwissermaßen die
amtliche Warn-App: Es ist Teil des "modularen Warnsystems
des Bundes" (MoWas), das vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz
und Katastrophenhilfe betrieben wird. Auch Lagezentren der
Bundesländer und lokale Feuerwehr- und Rettungsleitstellen
können es für eigene Warnungen nutzen. Wie bei
KATWARN gehören bei NINA zu Katastrophenwarnungen auch
Warnungen vor Hochwasser oder Unwettern. Auch NINA ist für
den Nutzer kostenlos.
NINA ist aber auch Teil des allgemeinen Zivilschutzes.
Hier geht es vor allem um die Warnung der Bevölkerung
im Kriegs- oder Spannungsfall. In einem solchen Fall hat
das Bundesamt für Bevölkerungsschutz neben der
NINA-App gesetzlich noch ganz andere Zugriffsrechte: Es
kann die Verbreitung amtlicher Warnungen über Rundfunk-
und Fernsehsender anordnen.
Regierung überarbeitet Zivilschutzstrategie
Die Bundesregierung überarbeitet im Moment ihre gesamte
Zivilschutz-Strategie. Denn die Grundsätze der zivilen
Verteidigung wurden letztmals 1995 festgelegt. Damals gab
es noch keine IT-Strukturen, die durch Cyberangriffe lahmgelegt
werden können und auch keine militärischen Aktionen
Russlands gegen die Ukraine. Auch die Auswirkungen des Klimawandels
waren weniger sichtbar.
Bei dieser Überarbeitung der Zivilschutzstrategie
geht es nicht um die aktuellen Terrorbedrohungen, erläutert
das Bundesinnenministerium. Vielmehr stünde die Bedrohung
von außen im Vordergrund: Wie ist die Bevölkerung
zu schützen gegen atomare, biologische oder chemische
Waffen? Wie können im Verteidigungsfall Verkehr und
Energienetze geschützt werden? Wie wird die Bargeldversorgung
sichergestellt? Wie wird das Technische Hilfswerk eingesetzt?
Spannungen mit Russland
An solche Fragen sind viele seit dem Ende des Kalten Krieges
nicht mehr gewöhnt. Angesichts der Spannungen mit Russland
sind diese Fragen jetzt wieder aktueller, was natürlich
von offizieller Seite an keiner Stelle mit Namen genannt
wird. Auch Überschneidungen zu Terrorsituationen sind
natürlich denkbar: Wenn Terroristen zum Beispiel sogenannte
schmutzige Atombomben einsetzten oder Trinkwasserreservoirs
vergifteten, wären die Strukturen der Zivilverteidigung
gefragt. Nicht zuletzt, um die Bevölkerung zu warnen
und mit glaubwürdigen informationen zu versorgen.
Sirenen wecken auch Schlafende
Apropos Warnung: Früher gab es flächendeckend
die Möglichkeit, die Menschen mit lautem Sirenengeheul
zu warnen. Wer sich daran erinnert, der weiß: Die
regelmäßigen Probealarme gingen durch Mark und
Bein. In den 1990er-Jahren wurde der Sirenenbestand aber
beinahe überall abgebaut. Inzwischen überlegt
zumindest Bayern, die Sirenen wieder zu aktivieren. Denn:
Sie wecken auch Schlafende. Und wer so geweckt wird, kann
dann seine NINA- oder KATWARNApp kontrollieren oder
auch Radio und Fernsehen einschalten, um weitere Informationen
zu bekommen.
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